Es muss nicht immer ein digitales Magazin auf iPad, iPhone oder Android sein!
Es muss nicht immer ein digitales Magazin auf iPad, iPhone oder Android sein!
Ein guter Geschäftsfreund hat in seinem Familienbesitz die erste gedruckte Ausgabe des Arznei-Buches von Christoph Wirsung, gedruckt 1568!
Dieses Buch ist natürlich eine Rarität. Schnell war die Idee geboren, Nachdrucke, sogenannte Faksimile herauszugeben.
Gemäss Wikipedia:
Als Faksimile, Plural: Faksimiles, (von lat. fac simile „Mache es ähnlich“) bezeichnet man eine originalgetreue Kopie bzw. Reproduktion einer Vorlage, häufig eines historisch wertvollen Dokuments. Hierbei kamen früher überwiegend drucktechnische Verfahren wie beispielsweise der Anastatische Druck, heute vor allem fotografische Verfahren zur Anwendung.
Neu entdeckt und neu aufgelegt, das erste „getruckte Artzneybuch“
ein längst vergessen geglaubtes volksmedizinisches Standardwerk des 16. Jahrhunderts
Eine Fundgrube gleichermassen für alle medizinisch, historisch und soziologisch Interessierten. Christoph Wirsung hat darin vor über 440 Jahren das ganze medizinische und pharmazeutische Wissen seiner Zeit zusammengefasst und in noch heute verständlicher, lesbarer Form beschrieben.
Das erste „getruckte Artzneybuch“, als medizinisches Standardwerk des 16. Jahrhunderts, erlebte sechs Folgeauflagen, wurde in englischer Sprache dreimal aufgelegt und auch in holländisch herausgegeben.
Auf 936 Seiten ist nachzulesen wie die „gefehrlichen Kranckheiten von Magen, Leber, Galle, Nieren, Blatter und Darm“ diagnostiziert, wie „Hals, Haar, Bart, Hyrnschal, Hyrnn, Augen, Nasen, Ohren Lefftzen, Mund und was darin ist, Stimm, samt ihren zufallenden Kranckheiten und Artzneyen“ beschrieben und behandelt wurden. „Darinn werden fast alle eusserliche und innerliche Glieder des menschlichen Leibs, mit ihren Gestalt, Aigenschafft und Würckung beschriben, darbey auch vom Haupt an bisz zu den Fersen verzaichnet, was jedoch sonderlich und in gemain für Kranckheiten und Gebrechen angreiffend. Letzlich, wie man deselbigen inn mehrerley Wisz zu Hülf kommen möge, also wie man sich im Purgieren, Aderlassen und dergleichen halten soll, aus dem berümptesten Artzten, so wohl der newen als der alten geschribnen Bucher.“
Von „etliche Gifft von Gewechsen, Metallen und Thieren“, aber auch von „Mancherlay, nicht auf sondre Kranckheiten gerichtet, gleichwohl taugenlich und nützlich“, nämlich der Herstellung von „Latwergen, Tranck, Confect, eingemachte Früchte, mancherley Oele, Syrup und Säffte, gewürtz Wein, und was dergleichen sein mag“.
Christoph Wirsung, 1500 in Augsburg als Sohn einer Patrizierfamilie geboren, verbrachte seine Studienzeit z. T. in Venedig und praktizierte später in Augsburg als Arzt, Geistlicher und Ratsherr. Mit seinem „Neuen Artzneybuch“ hatte er grossen Erfolg, es wurde noch weit bis in das 17. Jahrhundert immer wieder neu aufgelegt. Über 2600 Rezepte geben den damaligen Stand medizinischer Kenntnisse wieder, die meisten sind rein pflanzlicher Natur. Die Rezepte sind unterteilt u. a. nach: Krankheiten der einzelnen Körperregionen wie Kopf, Brust, Bauch, Extremitäten; Krankheitszustände, die den ganzen Körper betreffen; Fieber als Symptom von Krankheiten; eine Abhandlung über Gifte, ihre Wirkung sowie medzinische Massnahmen. Ein Glossar sämtlicher Wirkstoffe mit Hinweisen auf die jeweiligen Rezepte schliesst dieses Doktorbuch ab.
Buchbesprechung mit Doktor François Ledermann
Der deutsche Arzt Christoph Wirsung, der 1500 in Augsburg geboren wurde, studierte und praktizierte in seiner Heimatstadt sowie in Heidelberg, wo er 1571 starb. In der Medizingeschichte ist er durch das Verfassen eines „Artzneybuches“, das in mehreren Ausgaben und in drei Sprachen (deutsch, englisch, holländisch veröffentlicht wurde) bekannt geblieben.
Nun ist der Verlag Ernst Bloch auf die gute Idee gekommen, einen Nachdruck dieses Werkes zu drucken, und zwar die „Editio princeps“, den 1568 in Heidelberg erschienen ist. So verfügt der heutige Leser, sei er Medizinhistoriker oder ganz allgemein für die Kultur und Sitten der Renaissancezeit interessiert, über eine leicht zugängliche und elegant gedruckte Ausgabe dieses Buches, das in den früheren Drucken schwer auffindbar war.
Im Gegensatz zu den heutigen Arzneibüchern, die mehr als gesetzliche Richtlinien zur Herstellung, Prüfung und Abgabe der Medikamente zu verstehen sind, entspricht das Werk von Wirsung eher einer medizinischen und pharmazeutischen Enzyklopädie des 16. Jahrhunderts und führt ein breites Panorama der ganzen Heilkunde dieser Zeit auf. Das Werk beginnt mit drei ausgiebigen Registern, das erste dem Arzneischatz, der „materia medica“ gewidmet, das zweite Pathologie, wobei Krankheiten nach den betroffenen Gliedern und Organen eingeordnet sind, und das dritte fasst die lateinischen Termini zusammen.
Im Kern des Buches bespricht Wirsung sämtliche ihm bekannte Krankheiten, wobei er zuerst die Ursachen und die Zeichen der Übel nennt, um dann jedes Kapitel mit therapeutischen Vorschlägen zu beenden. Hier zeigt das Arzneibuch klar den Zeitgeist der Renaissance, indem es einerseits noch deutlich im Galenismus steht, einer Theorie, die durch die ersten Zeichen der wissenschaftlichen Anfechtungen allerdings schrittweise von einem klinischen Blick, von einem Loswerden der scholastischen mittelalterlichen Gedanken geprägt wird. Bei der Melancholie wagt zum Beispiel Wirsung nicht die alte humoralpathologische Theorie völlig wegzuschmeissen. So schreibt er, dass „Melancholie… erstlich für der vier Feuchtigkeit eine des menschlichen Leibs das schwarz geblüht“ sei. Aber, fährt er fort, „davon wird nicht geredet“, um zu äussern, dass Melancholie eine Krankheit des Hirns und der Vernunft ist. Auch die Ende des 15. Jahrhunderts aufgetauchte Syphilis bleibt mit dem damals üblichen Ausdruck von „Franzosen“ nicht unerwähnt.
Dass „der Verfall der antiken Tradition“, wie Erwin Ackerknecht schrieb, „zum fortschreitenden therapeutischen Chaos führte“ wird im Arzneibuch in manchen Aspekten bestätigt, wobei man statt Chaos eher von therapeutischem Elektizismus schreiben könnte. So entspricht der letzte – pharmazeutische – Teil des Buches durchweg der von der arabischen Heilkunde beeinflussten antiken Therapie. Es fehlen weder die von der islamischen Pharmazie propagierten Arzneiformen wie die Elektuarien (die Latwergen) und die Trochischi (plane Scheibchen zur Darreichung trockener Arzneimittel) noch die ausgiebige Verwendung des Zuckers, noch das Erwähnen einer grossen Anzahl von meistens pflanzlichen Produkten, noch gewisse polypharmazeutische Formen, wie der seit der römischen Zeit bekannte Theriak. Dieser traditionelle Arzneischatz mischt sich im Arzneibuch von Wirsung mit Produkten der europäischen Volksmedizin, aber vor allem mit einigen Mitteln der kurz vor dem Erscheinen des Werkes Wirsungs von Paracelsus und seiner Anhänger propagierten Spagyrik. Diese protochemischen Arzneimittel sind zum Beispiel Quecksilber- oder Antimonderivate. Auch das aus Amerika mitgebrachte und gegen die syphilitischen Erkrankungen angewandte Guiakholz wird von Wirsung aufgeführt.
Bestimmt wandte sich das Buch dazumal an ein breites kultiviertes Publikum, das vom Werk eine Synthese der Kenntnisse über die ganze Medizin und Therapie, der medizinischen Praxis der Zeit also erwartete. Zeuge davon ist zum Beispiel noch der „siebte Teil dieses Buches“, ein ausgedehntes Kapitel, das den pflanzlichen, tierischen und mineralischen Giften gewidmet ist. Heute kann der zur Verfügung stehende Nachdruck gewisse Invarianten, manche Konstanten der Medizin betonen. Zum Beispiel die ständige Vermengung zwischen volks- und schulmedizinischen Tendenzen, aber auch den ewigen Versuch des Menschen aus den von ihm geschmiedeten Theorien, aus einer therapeutischen Ideologie und den ihm von der Natur zur Verfügung stehenden Mitteln eine Synthese zu machen, dies im Dienst des Kranken. In diesem Sinn hat es an Aktualität nichts verloren.
Doktor François Ledermann, 11.03.1996
Meine Meinung:
Informationen müssen nicht zwingend gegoogelt werden. Auch ein altes Buch kann Informationen enthalten, die heute so oder ähnlich noch Gültigkeit haben – oder einfach nur unterhaltsam sind.
Weitere Informationen:
Daniel Mayerthaler, Schweiz, info@mayerthaler.net
Auch Daniel Mayerthalers Geschäftsfelder sind sehr interessant:
]]>